Mittwoch, 30. Januar 2008

Sonntag, 27. Januar 2008. Charlton.

Langsam aber stetig dreht sich alles vor meinen Augen. Mein Kopf brummt und das Gefühl latenter Übelkeit werde ich auch nicht los. Für einen Moment versuche ich den Autolärm der Woolwich Road zu überhören, die Stille zu genießen und meine Gedanken zu ordnen.

Der Samstag hatte im Grunde recht gut begonnen... Einigermaßen ausgeschlafen und voller Tatendrang fahre ich bereits am Morgen mit dem Zug nach London, um einige Besorgungen zu machen und mir schon mal meine zukünftige Universitätsumgebung in Holloway anzuschauen, wobei ich mich spontan ein bisschen in die Ecke verliebe. Voller Begeisterung stelle ich nicht nur fest, dass mein Universitätsgebäude komplett in „purple“-lila gestaltet ist, die Holloway Road alles zu bieten hat – von kleinen netten Pubs und Cafés bis hin zu Supermärkten und sogar einigen Klamottenläden -, sondern auch, dass mein Studentenwohnheim von außen einen durchaus netten Eindruck macht und sich zudem am Ende einer langen, wunderschönen und mit kleinen Parks versehenen Häuserreihe befindet. Ich bin entzückt und mache mich bester Dinge langsam auf den Rückweg nach Charlton. Zur besten Mittagszeit und bei blauem Himmel erreiche ich das gefühlte Ende der Welt wieder. Angesichts des noch so jungen Tages, beschließe ich, die Gegend mal bei Tageslicht zu erkunden. Abgesehen von einem großen Shopping Areal gibt es allerdings nicht viel zu erkunden und so mache ich mich auf den Weg quer durch das dreckige, qualmende und mit kleinen Autowerkstätten übersäte Industriegebiet zur Thames Barrier. In dem Moment, in dem ich das Ufer erreiche, sich die Thames vor mir erstreckt und ich in der Ferne den Millennium Dome und die Hochhäuser des City Finanz Districts entdecke, wird mir klar, dass ich gerade nirgendwo lieber sein würde als genau hier. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft stellt sich ein Kribbeln in meinem Magen ein und ich bin einfach nur glücklich.
Wieder in meinem Hotel angekommen, fange ich an, mir erste Gedanken bezüglich meiner Abendplanung zu machen. Die Vorstellung, auch heute wieder im Hotel zu bleiben und mich somit dann das gesamte Wochenende quasi verbarrikadiert zu haben, scheint mir nicht sehr verlockend. Andererseits habe ich auch keine große Lust, mich alleine auf den Weg nach London zu machen, um stundenlang vereinsamt in irgendeinem Club zu stehen und dann in der tiefsten Nacht mit dem Bus zurück zu eiern. Folglich bleibt mir eigentlich nur eine Möglichkeit – die einzige Person anzurufen, die ich in London wirklich kenne. Bei der Gelegenheit kann ich wenigstens gleich meine neue englische SIM-Karte ausprobieren, und siehe da, es funktioniert sogar.

Um halb zehn treffen wir uns am Bahnhof London Bridge. Mit dem Cab geht es dann quer durch das nächtliche London und während ich einmal mehr überwältigt bin von der Atmosphäre dieser Stadt bei Nacht, streitet sich der Taxifahrer durch das geöffnete Fenster lautstark fluchend und schimpfend mit einem anderen Autofahrer, der ihm die Vorfahrt genommen hat, dies aber nicht einsehen will. An jedem Stopp werden unzählige „fuckings“ beidseitig ausgetauscht bis sich unsere Wege endlich trennen. Schließlich hält das Taxi unweit der Oxford Street vor einem Club namens Phoenix, wo in dieser Nacht unter dem Titel „Heavyload“ eine Party stattfindet, die sich der Rockmusik der 60er und 70er Jahre verschrieben hat. Während sich bei mir langsam eine wahrnehmungsmindernde Mischung aus Gin Tonic und The Who durchsetzt, werde ich nahezu jeder Person vorgestellt, die unseren Weg kreuzt. Um drei Uhr endlich schließt der Club und ich fange schon fast an, mich ein wenig nach meinem winzigen Hotelzimmer zu sehnen. Auf das jedoch werde ich wohl noch einige weitere Stunden verzichten müssen, denn ungefragt werde ich in einer etwa zwölf Personen zählenden Gruppe mitgenommen zum nächsten Bus, der uns nach Seven Sisters bringt. Um halb zehn morgens dann mache ich mich zugegebenermaßen leicht angeschlagen auf den Heimweg. Wenn ich in dieser Nacht neben dem ungehemmten Drogenkonsum eins über Engländer gelernt habe, dann, dass fast alle von ihnen Rich(ard) oder James heißen. Immerhin erhöht das meine Wahrscheinlichkeit, den Leuten beim nächsten Treffen den richtigen Namen zuzuordnen.

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