Montag, 11. Februar 2008

Montag, 11. Februar 2008. Holloway.

Meine dritte Woche als Londonerin hat begonnen. Und wie hätte ich sie besser begrüßen können als mit einer Pub-Tour? Wir starten den Freitagabend also einmal wieder in Bradley’s Spanish Bar abseits der Oxford Street. Die wundervolle Jukebox, die noch originalgetreu mit Vinyl-Singles bestückt ist, lässt uns auch an diesem Abend nicht im Stich und spielt prompt die Kinks. Danach geht es weiter nach Camden, zuerst in den Good Mixer und dann ins The Hawley Arms, einen wunderschönen, gemütlichen Pub, der über mehrere Etagen führt und neben einem sehr sympathischen Publikum eine Dachterrasse zu bieten hat, die einen von Lichterketten unterstrichenen Blick über Camden gewährt. Nach einigen Drinks und einem Abendessen in einer Tapas Bar, finden wir uns irgendwann mitten in der Nacht auf der Millennium Bridge wieder und bewundern das Lichtermeer auf- und abwärts der Thames. Es ist fast unglaublich, wie ruhig und friedlich diese Stadt sein kann und ich hoffe innerlich, niemals den Sinn für diese Schönheit zu verlieren, wie lange auch immer ich hier leben mag. Während Big Ben auf der anderen Seite des Ufers zwölf schlägt, schlendern wir langsam vorbei an Tate Modern und London Eye in Richtung Westminster Bridge, um einen Bus zurück nach Charing Cross zu nehmen.

Am nächsten Morgen ist plötzlich der Frühling ausgebrochen. Ich schaue in einen strahlend blauen Himmel und verwerfe angesichts dessen meine Pläne, den Tag mit Lernen zu verbringen. Es scheint der perfekte Zeitpunkt zu sein, dem Highgate Cemetery endlich einmal einen Besuch abzustatten, also mache ich mich in der Tube auf den Weg nach Archway. Die Straße, die zum Friedhof führt ist gesäumt von Zäunen und Toren, die die dahinter liegenden, allem Anschein nach von der gehobenen Klasse bewohnten Estates vor dem Eindringen Unbefugter schützen. Die Häuser sind riesig und während ich in der ferne einen kleinen Jungen auf seinem Dreirad die ruhige Straße entlang fahren sehe, wird mir klar, dass die Klassenunterschiede hier doch noch um einiges dominanter sind. Wie für alles in London, muss ich natürlich auch für das bloße Betreten des Highgate Cemetery zahlen. Drei Pfund werden mir abgenommen, die anscheinend nicht unbedingt in die Pflege des Friedhofes investiert werden. Einige Skulpturen sind bereits von ihren Gräbern gefallen und zum Teil gleicht es im verzweigten Dickicht einer Müllhalde. Aber selbstverständlich ragt Karl Marx als das Herzstück des Friedhofes bestens poliert und in Schuss gehalten zwischen all den schiefen und umgestürzten Steinen heraus.


Am Abend geht es zu „Mousetrap“, einem Soul und R’n’B Allnighter in Finsbury. Wir legen einen kleinen Zwischenstopp in einem Pub in Angel ein, bevor wir irgendwann nach Mitternacht am falschen Ende der Seven Sisters Road stehen. Während ich vorschlage, von der gegenwärtigen Hausnummer 700 bis zu unserer Zielnummer 259 einfach zu Fuß zu gehen, scheint meine Begleitung von dieser Idee eher nicht angetan. Abgesehen davon, dass uns noch mehr als 400 Hausnummern von dem Club trennen, ist die Ecke um Seven Sisters und Finsbury nicht gerade für ihre Sicherheit zu jener Stunde bekannt, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Angesichts der Tatsache, dass wir komplett allein an der Straße stehen und auch keine kleinen Off-Licence Shops mehr zu sehen sind, beschließen wir, unseren Gang etwas zu beschleunigen und an der nächsten Haltestelle doch auf den Bus zu warten. Tatsächlich kommen wir schließlich im Orleans an und eine Person von uns beiden scheint sichtlich froh, noch unversehrt zu sein.
Nach nur fünf Stunden Schlaf, einem Rauschen in den Ohren und Restalkohol im Blut schreit es geradezu nach einem englischen Frühstück. Und da es natürlich viel zu langweilig wäre, den Lunch im Pub um die Ecke einzunehmen, fahren wir nach Spitalfields. So viele Menschenmassen ertrage ich in meinem Zustand normalerweise nicht, aber der allsonntägliche Markt und die umliegenden Vintageläden lassen meine Kopfschmerzen sofort verschwinden.
Am Abend verschlägt es mich dann noch einmal ins Nachtleben. Normalerweise würde ich wohl nicht alleine ausgehen, erst recht nicht in einen Pub und das auch noch an einem Sonntag, aber welche Alternative hat man schon, wenn man als Neuling in dieser Stadt fast auf sich alleine gestellt ist? Im Filthy McNasty’s zwischen King’s Cross und Angel findet an einem Sonntag im Monat ein Jazzclub statt, zu der mich eine MySpace-Bekanntschaft eingeladen hat, die genau jenen Club betreibt. Ich stelle mich an die Bar, bestelle erst einmal einen Gin Tonic und versuche, nicht allzu verloren auszusehen zwischen all den Menschen, die sich anscheinend bestens kennen. Nachdem ich meine Internetbekanntschaft identifiziert habe, werde ich sofort einer deutschen Freundin vorgestellt und verbringe die folgende Stunde damit, mich – sehr zum Leidwesen ihres schottischen Freundes - auf Deutsch zu unterhalten. Da haben wir einmal mehr die sooft erwähnte Problematik, wie schwer es ist, in London Einheimische kennen zu lernen.
Auf dem Rückweg fällt mir eine blinkende Anzeigentafel am Rand der Straße auf, die darauf hinweist, dass Chalk Farm Road aufgrund eines Feuers in Camden gesperrt ist. Einen Tag später muss ich erfahren, dass neben dem Camden Market auch das Hawley Arms den Flammen zum Opfer gefallen ist und ich mich wohl glücklich schätzen kann, am Freitag die letzte Nacht dort verbracht zu haben.

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